»In Zukunft steht die Sozialpartnerschaft vor der Aufgabe, Expertise und langfristige Orientierung zu vermitteln, und dabei Wissen mit Klugheit und menschlichem Einfühlungsvermögen zu verbinden. Die Sozialpartner müssen sich als Manager des Wandels bewähren.« Ein schöner Satz vom Österreichischen Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl der die Rolle der Sozialpartnerschaft auf den Punkt bringt. Eine Rolle, die die Handelskammer Bozen für Südtirol klären wollte. Im Rahmen der »Zukunftswerkstatt Südtirol«, einem Projekt, das schon seit mehreren Jahren die großen Zukunftsfragen unseres Landes behandelt, nahm das Thema Sozialpartnerschaft 2013 eine wichtige Rolle ein.
Auf insgesamt vier Bezirksveranstaltungen in Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wurde die Sozialpartnerschaft von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften diskutiert.
Das Ergebnis dieser Gespräche liegt nun in schriftlicher Form vor und ich habe mir die Inhalte etwas genauer angesehen:
Zuerst wird, wie es sich für eine wissenschaftliche Arbeit gehört, den Definitionen Raum gegeben und das ist auch sehr wichtig und notwendig. Erfährt man zum Beispiel, warum die Form »Sozialpartnerschaft« in Österreich, Italien und der EU unterschiedliche Ausprägungen hatte und hat. Über einen kurzen geschichtlichen Abriss erkennt man, welche Gründe zu dieser speziellen Form der gesellschaftlichen Auseinandersetzung geführt haben und wo man heute steht. Das Resumee ist, dass die Sozialpartnerschaft ihren Höhenflug leider schon längst hinter sich hat und dass es mittlerweile zu einem reinen »Lohnverhandlungsinstrument« verfallen ist. Eine Verhandlung, die die Autoren gar nicht als »Sozialpartnerschaft« definieren wollen, was ich auch richtig finde.
Interessant wird es, wenn man im Detail die Geschichte der Sozialpartnerschaft in Südtirol erfahren darf. Von den ersten autonomen Gehversuchen nach Paketschnürung, hin zu wichtigen Weichenstellungen bei der Erstellung des ersten »Landeswirtschaftsentwicklungsprogramms« oder dem »Landesraumordnungsplan« (LEROP). Sehr wichtige Instrumente für die Entwicklung unseres Landes.
Bevor die Fachvorträge im Rahmen der Versammlungen auch Platz finden, wurden die Diskussionsergebnisse der Bezirksveranstaltungen vorgestellt. Nicht überraschend findet man, solange man allgemein bleibt, sehr verbindende Aussagen und Wortmeldungen. Je konkreter man wurde, desto eher gab es auch unterschiedliche Meinungen. Es scheint aber doch die Mehrheit der Meinung zu sein, dass dieses Instrument unbedingt wieder notwendig wäre um wichtige Themen, die die Gesellschaft betreffen, abseits von politischen (Hinter)Zimmern zu diskutieren und Handlungsempfehlungen der Politik vorzuschlagen.
Zwei Punkte waren für mich dann noch sehr interessant die mich etwas stutzen ließen:
1. Wie viele Interessensvertretungen bindet man ein?
Auszug aus dem Text: »Je mehr Verbände und Vereine, Gruppierungen und Interessensvertretungen abseits der großen Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften man einbindet, desto eher erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass gemeinsame ausgearbeitete Empfehlungen an politische Entscheidungsträger Zustimmung finden. Andererseits wächst durch eine steigende Zahl an Verhandlungspartnern die Komplexität sozialpartnerschaftlicher Verhandlungen, wodurch konkrete Vereinbarungen erschwert werden.«
Diese Aussagen erinnerten mich spontan an die (sogenannten) Mediationsverhandlungen rund um den Bozner Flughafen. Was war das für ein Schlamassel! Am Ende schimpfte man nur über die Kosten des Mediators und jede Seite interpretierte den Ausgang auf ihre Weise. Als Kommunikationsberater schäme ich mich, dass hier scheinbar der Auftrag entweder komplett falsch ausgeführt wurde, oder die (Südtiroler) Beteiligten wirklich keinerlei Konflikt-Kultur besaßen (und besitzen). Auch ein Akzeptieren der Standpunkte und Meinungen anderer schien und scheint in diesem Land teilweise verloren gegangen zu sein. Ich habe sogar noch ein ganz konkretes Bild vor Augen, wo ich in einer Versammlung einer Südtiroler Interessensvertretung (ich nenne, keine Namen, aber es war eine eher linksgerichtete Vereinigung) versuchte für die Art der Konfliktbehandlung, für den Prozess, Werbung zu machen. Ich plädierte dafür, zu Beginn mit dem Mediator und der Gegenseite, auf klare Regeln zu bestehen, auf Schritt für Schritt Erarbeitung und auf Zulassung auch von kontroversen Standpunkten, die den Prozess ganz neu definieren könnten. Halleluja, was war ich naiv. Der eine Teil der Versammlung ignorierte mich, der andere Teil schüttelte nur den Kopf. Ich hätte ja keine Ahnung, was »die Bösen« da vorhätten und dass das sowieso alles schon ein abgekartetes Spiel sei. Enttäuscht über so viel Frustration und Unwillen nicht einmal Versuche zu wagen, verließ ich die Versammlung.
Der zweite Punkt, der mich stutzen ließ, bringt mein geäußertes Gefühl von eben noch besser auf den Punkt:
2. Transparenz?
Auszug aus dem Text: »Bei den Veranstaltungen wurde mehrfach bekräftigt, dass die Öffentlichkeit während der sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen nicht einbezogen werden sollte. Diskretion bedeute dabei nicht, dass man die Öffentlichkeit von den Verhandlungen ausschließen will, vielmehr sie Verschwiegenheit für die Verhandlungspartner strategisch unumgänglich. Somit stellt die Diskretion eine Grundvoraussetzung für das gute Gelingen sozialpartnerschaftlicher Verhandlung dar.«
Ups, hier kriege ich starke Bauchschmerzen. Nicht, dass ich diese Überlegungen nicht nachvollziehen könnte. Südtirol hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Land entwickelt, das sich von Hinterzimmerdiplomatie ernährt hat und wo Beziehungen eine (zu) große Rolle spielten. Auch hier könnte man wieder das missglückte Beispiel Mediation nennen, wo auch die Medien einen teils katastrophalen, fast schon propagandistischen Kreuzzug geführt haben. Dass Bürger, welche sich (aus welchen Gründen auch immer) ungerecht behandelt fühlen, oder einfach nur unzufrieden sind, dann auf populistische Wellen mitreiten, ist absolut nachvollziehbar.
Dies wäre aber jetzt, nach erfolgtem politischen Generationswechsel, eine Riesenchance zu zeigen, dass auch wir in diesem kleinen Lande gemeinsame Nenner finden könnten. Mir ist schon bewusst, dass die kommunikative Herausforderung enorm wäre, aber eine Abschottung, anstatt einer Öffnung, wäre ein katastrophales Signal. Dass die Versammlungen diese Hoffnung auf eine neue Diskussionskultur nicht zumindest erwähnt haben, erschüttert mich sehr. Nur weil etwas bis jetzt nicht geklappt hat, oder nur sehr schwer, heißt das noch lange nicht, dass es unter neuen Vorzeichen nicht doch einmal klappen könnte. Mehr Mut würde ich mir hier wünschen.
Abschließend ist zu sagen, dass all diese meine Hoffnungen nur erfüllt werden können, wenn weiter miteinander gesprochen und diskutiert wird. Und das wird in der Zukunftswerkstatt. 2013 eben unter der Flagge »Sozialpartnerschaft«. Danke dem WIFO für diese Initiative und hoffen wir, dass die Anstrengungen Früchte tragen, die uns als Gesellschaft weiterbringen.
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