An einem Punkt gegen Ende des Artikels bringt der Chefredakteur Robert Weißensteiner dann einen Gedanken ins Spiel, der es Wert wäre weiter gesponnen zu werden: Warum nicht die Dorfgemeinschaft befragen und eventuell abstimmen lassen, ob sie zu den Rechten einer Unterstützung auch die Pflichten übernehmen würden. Das heißt im Klartext, es nützt nichts, wenn mit Steuergeldern ein Tante Emma Laden aufrecht erhalten wird, aber am Ende alle Dorfbewohner im nächsten M-Preis, Despar oder Kaufhaus ihre Produkte einkaufen. Wären die Dorfbewohner bereit, für gewissen Nahrungsmittel eventuell auch den einen oder anderen Cent mehr zu bezahlen um die Nahversorgung zu unterstützten? Denn eines ist sicher, wenn der Bürger und die Bürgerin des Dorfes, nicht bereit sind, ihren Beitrag zu leisten, helfen künstliche Finanzspritzen auch nichts.
Nachfolgend der gesamte Artikel im Wortlaut:
Einzelhandel – Überlegungen zum Einsatz von Steuergeldern zwecks Erhaltung der Nahversorgung in Südtirol
Wo liegt die Grenze?
Eigentlich ist die Sache nicht nennenswert, weil „nur“ 100.000 Euro im Spiel sind, anderseits geht es darum, den Anfängen zu wehren: Sollen Steuergelder verwendet werden, um Verbrauchern das Einkaufen im eigenen Dorf zu ermöglichen? Die Absicht ist edel. Aber wohin führt sie?
Bozen – Gummer ist eine Fraktion der Gemeinde Karneid. Das
Dorf zeichnet sich durch eine im Verhältnis zu seiner Größe reiche
Vereinstätigkeit aus, Bürgermeister Albin Kofler wohnt dort, und der Ort
beherbergt das neue Planetarium, das wie die nahe Sternwarte ein
Anziehungspunkt ist.Was fehlt, ist ein Gasthaus (bisher gab es im
Vereinshaus nach der Sonntagsmesse einen Kaffee) – und ein Geschäft.
Einst gab es einen Laden in Gummer, aber der Umsatz in dem kleinen Dorf
war zu gering, um ein ausreichendes Einkommen zu ermöglichen, und
deshalb wurde er geschlossen. Seitdem müssen die Einwohner auswärts
einkaufen, in Welschnofen, Birchabruck, Steinegg oder Bozen. Angenehm
ist das nicht, aber die Klagen darüber sind auch nicht sehr laut. Die
Menschen haben sich daran gewöhnt, auf Vorrat zu kaufen.
Gummer ist wohl eines jener kleinen Dörfer, die die
Landesregierung im Auge hatte, als sie in ihrer Sitzung von letzter
Woche mit einem Grundsatzbeschluss auf die Erhaltung oder
Wiederherstellung der Nahversorgung mit Gütern des täglichen Gebrauchs
abzielte und eine diesbezügliche Ausnahme vom sonst allgemein geltenden
Förderstopp verfügte. „Die Nahversorgung ist eine Priorität dieser
Landesregierung, wir sehen deshalb eigene Förderungen vor, für die wir
heute die Kriterien gutgeheißen haben“, sagte Landeshauptmann Arno
Kompatscher nach der erwähnten Sitzung der Landesregierung. Ursprünglich
war die Förderung der Nahversorgung in einem weiteren Sinn ins Auge
gefasst worden, also auch Sonderhilfen für Gasthäuser in kleinen Dörfern
ohne Tourismus, aber dann wurde der Fokus vorerst nur auf den
Einzelhandel gelegt.
Die Absicht ist edel: Auch in ländlichen Gebieten soll sich
insbesondere die nicht so mobile Bevölkerung weiterhin im eigenen Dorf
mit Gütern des täglichen Gebrauchs eindecken können. Damit dies möglich
bleibt (oder wieder möglich wird), hat die Landesregierung gemeinsam mit
Experten und Wirtschaftsverbänden an einer besonderen Fördermöglichkeit
für den klassischen Tante-Emma-Laden in kleinen Fraktionen gearbeitet
und dazu nunmehr einen Grundsatzbeschluss gefasst. Nunmehr müssen die
Förderkriterien genauer definiert werden.
Bezuschusst werden sollen Läden, die in einem bestimmten
Umkreis die einzigen ihrer Art sind, die in kleinen Dörfern arbeiten,
welche nicht gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden sind und die
eventuell auch bereit sind, zusätzliche Dienste zu übernehmen. Gedacht
ist dabei an eine Post-Sammelstelle, an die Medikamenten-Ausgabe in
Zusammenarbeit mit einer Apotheke oder an die Erteilung von
Tourismusinformationen.
Insgesamt rechnet die Landesregierung mit einem
Finanzbedarf von rund 100.000 Euro. „Das ist eine geringe Summe, wir
gehen aber davon aus, dass wir mit unseren Beiträgen den kleinen, aber
feinen Unterschied machen können in der Entscheidung, ob ein
Tante-Emma-Laden geöffnet bleibt oder wird“, so der Landeshauptmann.
Der Handels- und Dienstleisterverband Südtirol (hds) hat
die Maßnahme in einer Aussendung begrüßt, denn die Erhaltung und
Weiterentwicklung des Einzelhandels in unseren Orten müsse eine
Priorität für unser Land sein. „Es muss sich dabei“, schreibt der hds,
„um Extremfälle handeln, wo sich Nahversorgungsbetriebe in
Schwierigkeiten befinden und das Weiterführen eines Geschäftes aufgrund
mangelnder Rentabilität bedroht ist. Ziel der Förderung soll daher sein,
diesen Betrieben unter die Arme zu greifen, um die Nahversorgung in
diesen Situationen weiterhin aufrechtzuerhalten. Um dieses Ziel zu
erreichen, bedarf es der Zusammenarbeit mit den Gemeinden, die z.B.
Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, dem hds mit seinem Netzwerk und
der Unterstützung des Landes.“ Der hds weist darauf hin, dass die
„bescheidenen Beiträge einen Schritt in die richtige Richtung
darstellen, um in Härtefällen schnell helfen zu können“, und will sich
einsetzen, damit „in Zukunft ein schlagkräftiges Paket zur Unterstützung
dieser Betriebe, die Nahversorgungsengpässe vermeiden, auf die Füße
gestellt wird.“
Das Ziel, das hier verfolgt wird, kann durchaus geteilt
werden. Geplant sind unter anderem Führungskostenzuschüsse, das heißt,
dass die öffentliche Hand Beiträge zur Zahlung von Mieten oder zu den
Energiekosten leistet. Dass die Landesregierung meint, vorerst mit
100.000 Euro auskommen zu können, zeigt, dass sie die
Förderungskriterien eng fassen will. Allerdings besteht immer die
Gefahr, dass solche Förderungen Appetit anregen: Land, hilf mir, sonst
sperre ich zu! Die kleinen Geschäfte in kleinen Dörfern haben dann eine
Chance, wenn die Bevölkerung ganz bewusst dort einkauft. Aber das
geschieht in vielen Fällen nicht. Zu viele Leute kaufen die meisten
Produkte in größeren Geschäften auswärts ein, weil dort die Auswahl
größer ist und manche Waren vielleicht auch billiger sind (im Dorfladen
wird dann nur der Rest besorgt), und das Angebot wird lediglich von
weniger mobilen Verbrauchern genutzt, die im Dorf leben und auch dort
arbeiten. Es ist durchaus wünschenswert, dass die Tante-Emma-Läden in
manchen kleinen Orten erhalten bleiben oder etwa in Gummer eines Tages
wieder ein Geschäft eröffnet. Aber sollen dafür Steuergelder verwendet
werden?
Es ist zweifellos so, dass in unserer Gesellschaft nicht
bloß das bestehen soll, was sich rechnet. Der Fußballplatz, das Theater,
das Freibad und viele andere Dinge müssen zweifellos mit öffentlichen
Mitteln erhalten werden. Wo es um Marktangebote geht, sollte aber
grundsätzlich der Markt regeln, was geschieht und was nicht geschieht.
Die Hilfen für die Landwirtschaft (die wenig Steuern zahlt, aber viel
Geld erhält), mögen gerechtfertigt sein. Aber haben auch ein Gasthaus,
das sich nicht trägt, ein Laden, der unwirtschaftlich ist, oder eine
Kfz-Werkstatt, die zu wenig Kunden anzieht, eine Existenzberechtigung?
Natürlich ist die Förderung im Einzelfall wünschenswert, aber die
Eingriffe mit Steuergeldern in den Markt sind gefährlich, weil die
Grenzen unscharf sind und die Kosten, die der Allgemeinheit aufgebürdet
werden, tendenziell zunehmen.
Leider ist der Einsatz von Steuergeldern immer anonym und
versteckt. Eigentlich müsste man in einem Dorf mit beispielsweise 80
Familien fragen, ob die Bereitschaft besteht, jedes Jahr beispielsweise
5.000 Euro für den Tanta-Emma-Laden zu bezahlen, also etwas mehr als 60
Euro pro Familie, und dann kassieren, wenn die Antwort positiv ist. Aber
das ist nicht möglich, und deshalb wird indirekt über (hohe) Steuern
bezahlt.
Eigentlich sollte es so sein: Wenn die Bewohner eines
Dorfes einen Dorfladen wollen, dann müssen sie mit den Beinen abstimmen,
also nicht wegfahren, sondern dort einkaufen. Tun sie das nicht, gibt
es eben keinen Laden. Die Gesetze des Marktes und der Natur sind hart,
aber notwendig, um das Gleichgewicht zu halten.
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