Klaus Egger Blog

Dienstag, 20. Mai 2014

Tante Emma Laden - am Leben erhalten mit künstlicher Ernährung?

Ein Artikel in der vorletzten SWZ bringt die Vor-  und Nachteile der geplanten Förderung der Nahversorgung in Südtirol ans Licht. Wo wird der Markt verzerrt? Wo ist es aber richtig auch die soziale Funktion der Nahversorger zu sehen und diese mit Steuergeldern zu unterstützen?

 
An einem Punkt gegen Ende des Artikels bringt der Chefredakteur Robert Weißensteiner dann einen Gedanken ins Spiel, der es Wert wäre weiter gesponnen zu werden: Warum nicht die Dorfgemeinschaft befragen und eventuell abstimmen lassen, ob sie zu den Rechten einer Unterstützung auch die Pflichten übernehmen würden. Das heißt im Klartext, es nützt nichts, wenn mit Steuergeldern ein Tante Emma Laden aufrecht erhalten wird, aber am Ende alle Dorfbewohner im nächsten M-Preis, Despar oder Kaufhaus ihre Produkte einkaufen. Wären die Dorfbewohner bereit, für gewissen Nahrungsmittel eventuell auch den einen oder anderen Cent mehr zu bezahlen um die Nahversorgung zu unterstützten? Denn eines ist sicher, wenn der Bürger und die Bürgerin des Dorfes, nicht bereit sind, ihren Beitrag zu leisten, helfen künstliche Finanzspritzen auch nichts.

Nachfolgend der gesamte Artikel im Wortlaut:

Einzelhandel – Überlegungen zum Einsatz von Steuergeldern zwecks Erhaltung der Nahversorgung in Südtirol

Wo liegt die Grenze?

Eigentlich ist die Sache nicht nennenswert, weil „nur“ 100.000 Euro im Spiel sind, anderseits geht es darum, den Anfängen zu wehren: Sollen Steuergelder verwendet werden, um Verbrauchern das Einkaufen im eigenen Dorf zu ermöglichen? Die Absicht ist edel. Aber wohin führt sie?

Bozen – Gummer ist eine Fraktion der Gemeinde Karneid. Das Dorf zeichnet sich durch eine im Verhältnis zu seiner Größe reiche Vereinstätigkeit aus, Bürgermeister Albin Kofler wohnt dort, und der Ort beherbergt das neue Planetarium, das wie die nahe Sternwarte ein Anziehungspunkt ist.Was fehlt, ist ein Gasthaus (bisher gab es im Vereinshaus nach der Sonntagsmesse einen Kaffee) – und ein Geschäft. Einst gab es einen Laden in Gummer, aber der Umsatz in dem kleinen Dorf war zu gering, um ein ausreichendes Einkommen zu ermöglichen, und deshalb wurde er geschlossen. Seitdem müssen die Einwohner auswärts einkaufen, in Welschnofen, Birchabruck, Steinegg oder Bozen. Angenehm ist das nicht, aber die Klagen darüber sind auch nicht sehr laut. Die Menschen haben sich daran gewöhnt, auf Vorrat zu kaufen. 
Gummer ist wohl eines jener kleinen Dörfer, die die Landesregierung im Auge hatte, als sie in ihrer Sitzung von letzter Woche mit einem Grundsatzbeschluss auf die Erhaltung oder Wiederherstellung der Nahversorgung mit Gütern des täglichen Gebrauchs abzielte und eine diesbezügliche Ausnahme vom sonst allgemein geltenden Förderstopp verfügte. „Die Nahversorgung ist eine Priorität dieser Landesregierung, wir sehen deshalb eigene Förderungen vor, für die wir heute die Kriterien gutgeheißen haben“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher nach der erwähnten Sitzung der Landesregierung. Ursprünglich war die Förderung der Nahversorgung in einem weiteren Sinn ins Auge gefasst worden, also auch Sonderhilfen für Gasthäuser in kleinen Dörfern ohne Tourismus, aber dann wurde der Fokus vorerst nur auf den Einzelhandel gelegt. 
 
Die Absicht ist edel: Auch in ländlichen Gebieten soll sich insbesondere die nicht so mobile Bevölkerung weiterhin im eigenen Dorf mit Gütern des täglichen Gebrauchs eindecken können. Damit dies möglich bleibt (oder wieder möglich wird), hat die Landesregierung gemeinsam mit Experten und Wirtschaftsverbänden an einer besonderen Fördermöglichkeit für den klassischen Tante-Emma-Laden in kleinen Fraktionen gearbeitet und dazu nunmehr einen Grundsatzbeschluss gefasst. Nunmehr müssen die Förderkriterien genauer definiert werden. 
 
Bezuschusst werden sollen Läden, die in einem bestimmten Umkreis die einzigen ihrer Art sind, die in kleinen Dörfern arbeiten, welche nicht gut an das öffentliche Verkehrsnetz angebunden sind und die eventuell auch bereit sind, zusätzliche Dienste zu übernehmen. Gedacht ist dabei an eine Post-Sammelstelle, an die Medikamenten-Ausgabe in Zusammenarbeit mit einer Apotheke oder an die Erteilung von Tourismusinformationen. 
Insgesamt rechnet die Landesregierung mit einem Finanzbedarf von rund 100.000 Euro. „Das ist eine geringe Summe, wir gehen aber davon aus, dass wir mit unseren Beiträgen den kleinen, aber feinen Unterschied machen können in der Entscheidung, ob ein Tante-Emma-Laden geöffnet bleibt oder wird“, so der Landeshauptmann. 
 
Der Handels- und Dienstleisterverband Südtirol (hds) hat die Maßnahme in einer Aussendung begrüßt, denn die Erhaltung und Weiterentwicklung des Einzelhandels in unseren Orten müsse eine Priorität für unser Land sein. „Es muss sich dabei“, schreibt der hds, „um Extremfälle handeln, wo sich Nahversorgungsbetriebe in Schwierigkeiten befinden und das Weiterführen eines Geschäftes aufgrund mangelnder Rentabilität bedroht ist. Ziel der Förderung soll daher sein, diesen Betrieben unter die Arme zu greifen, um die Nahversorgung in diesen Situationen weiterhin aufrechtzuerhalten. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der Zusammenarbeit mit den Gemeinden, die z.B. Räumlichkeiten zur Verfügung stellen, dem hds mit seinem Netzwerk und der Unterstützung des Landes.“ Der hds weist darauf hin, dass die „bescheidenen Beiträge einen Schritt in die richtige Richtung darstellen, um in Härtefällen schnell helfen zu können“, und will sich einsetzen, damit „in Zukunft ein schlagkräftiges Paket zur Unterstützung dieser Betriebe, die Nahversorgungsengpässe vermeiden, auf die Füße gestellt wird.“ 
 
Das Ziel, das hier verfolgt wird, kann durchaus geteilt werden. Geplant sind unter anderem Führungskostenzuschüsse, das heißt, dass die öffentliche Hand Beiträge zur Zahlung von Mieten oder zu den Energiekosten leistet. Dass die Landesregierung meint, vorerst mit 100.000 Euro auskommen zu können, zeigt, dass sie die Förderungskriterien eng fassen will. Allerdings besteht immer die Gefahr, dass solche Förderungen Appetit anregen: Land, hilf mir, sonst sperre ich zu! Die kleinen Geschäfte in kleinen Dörfern haben dann eine Chance, wenn die Bevölkerung ganz bewusst dort einkauft. Aber das geschieht in vielen Fällen nicht. Zu viele Leute kaufen die meisten Produkte in größeren Geschäften auswärts ein, weil dort die Auswahl größer ist und manche Waren vielleicht auch billiger sind (im Dorfladen wird dann nur der Rest besorgt), und das Angebot wird lediglich von weniger mobilen Verbrauchern genutzt, die im Dorf leben und auch dort arbeiten. Es ist durchaus wünschenswert, dass die Tante-Emma-Läden in manchen kleinen Orten erhalten bleiben oder etwa in Gummer eines Tages wieder ein Geschäft eröffnet. Aber sollen dafür Steuergelder verwendet werden? 
Es ist zweifellos so, dass in unserer Gesellschaft nicht bloß das bestehen soll, was sich rechnet. Der Fußballplatz, das Theater, das Freibad und viele andere Dinge müssen zweifellos mit öffentlichen Mitteln erhalten werden. Wo es um Marktangebote geht, sollte aber grundsätzlich der Markt regeln, was geschieht und was nicht geschieht. Die Hilfen für die Landwirtschaft (die wenig Steuern zahlt, aber viel Geld erhält), mögen gerechtfertigt sein. Aber haben auch ein Gasthaus, das sich nicht trägt, ein Laden, der unwirtschaftlich ist, oder eine Kfz-Werkstatt, die zu wenig Kunden anzieht, eine Existenzberechtigung? Natürlich ist die Förderung im Einzelfall wünschenswert, aber die Eingriffe mit Steuergeldern in den Markt sind gefährlich, weil die Grenzen unscharf sind und die Kosten, die der Allgemeinheit aufgebürdet werden, tendenziell zunehmen. 
 
Leider ist der Einsatz von Steuergeldern immer anonym und versteckt. Eigentlich müsste man in einem Dorf mit beispielsweise 80 Familien fragen, ob die Bereitschaft besteht, jedes Jahr beispielsweise 5.000 Euro für den Tanta-Emma-Laden zu bezahlen, also etwas mehr als 60 Euro pro Familie, und dann kassieren, wenn die Antwort positiv ist. Aber das ist nicht möglich, und deshalb wird indirekt über (hohe) Steuern bezahlt. 
 
Eigentlich sollte es so sein: Wenn die Bewohner eines Dorfes einen Dorfladen wollen, dann müssen sie mit den Beinen abstimmen, also nicht wegfahren, sondern dort einkaufen. Tun sie das nicht, gibt es eben keinen Laden. Die Gesetze des Marktes und der Natur sind hart, aber notwendig, um das Gleichgewicht zu halten.
Robert Weißensteiner
robert@swz.it

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