Klaus Egger Blog

Freitag, 10. Mai 2013

Die "Reformagenda für Südtirol" – Schreckgespenst oder notwendige Kur?


Sie trägt den Namen „Reformagenda für Südtirol“ und wurde vom Südtiroler Wirtschaftsring und der Handelskammer ausgearbeitet. Nachdem die Agenda in einem ersten Entwurf vorlag, wird sie aktuell an verschiedenen Orten in Südtirol vorgestellt und jeder Interessierte kann sich in einer offenen Diskussion am Veranstaltungsabend einbringen. Der Text der SWR dazu: „Mit der Veranstaltungsreihe soll eine offene Diskussion über den richtigen Einsatz der öffentlichen Mittel, über mögliche Sparmaßnahmen und nicht zuletzt über notwendige Reformen in Südtirol angestoßen werden. Ihre Meinung zählt, reden Sie mit!“ Am Mittwoch, 08. Mai habe ich mich in die Handelskammer Bozen begeben um mir die Präsentation der Agenda anzuhören. Hier meine Eindrücke.


Die Initiative

Prinzipiell muss man zu jeder Initiative, die versucht die Krise zu meistern danke sagen. Es ist gut, wenn sich Interessensgruppen zusammensetzen und Vorschläge ausarbeiten. Dass dabei der Schwerpunkt auf die Bedürfnisse (oder sagen wir Sichtweisen) der am Prozess Beteiligten gesetzt wird, ist in erster Linie nachvollziehbar und nicht unbedingt verwerflich.

Der Ablauf

Die Reformagenda wurde zuerst der Politik „zur Kenntnis“ vorgestellt (wem genau kann ich euch nicht sagen), anschließend werden jetzt die Diskussionsabende durchgeführt und die Ergebnisse dieser Abende sollen in das Papier einfließen und am Ende öffentlich gemacht werden.

Wäre ich ein vollkommen naiver und gutgläubiger Mensch würde ich wohl sagen: Super! Hier wird diskutiert und anschließend die Sicht beider Seiten eingearbeitet.

Wäre ich ein absolut zynischer Mensch würde ich wohl sagen: Beschiss! Zuerst präsentieren sie es schon mal der Politik VOR der Diskussion mit der Bevölkerung. Dass die Abende nicht gerade den Besucherrekord bringen, kann auch schon vorher einkalkuliert werden und anschließend können sie die fiktive Bürgerbeteiligung als Erfolg verkaufen und sagen: „Seht’s wir sprechen mit allen bevor wir das Papier fertigstellen.“ Wahrscheinlich wird am Ende auch sogar so was auf dem Deckblatt stehen: „von allen Sozialpartnern ausgearbeitet“.

Diese Kritik habe ich an dem Abend auch laut ausgesprochen und Herr Ebner hat mir gesagt, dass sie sich diesem Dilemma bewusst waren und es auch intern besprochen haben. Sie kamen aber am Ende zur Entscheidung es doch zuerst der Politik vorzustellen, da es ansonsten von der Seite Verstimmung hätte geben können. Ich bin zwar nicht dieser Meinung, aber die Wahrheit liegt wohl wie meistens irgendwo in der Mitte, oder? Ich weiß es nicht, aber schauen wir uns die Agenda doch ein bisschen näher an.


Die Agenda

Der Hauptteil der Agenda beschäftigt sich mit der Durchforstung des Landeshaushalts und dem Suchen nach Optimierung, versteckten Kosten, unnötigen Ausgaben usw. Am Beginn und am Ende werden zwar noch einige Denkanstöße anderer Natur gegeben, aber im Kern geht es um die qualitative und quantitative Umschichtung des Landeshaushalts.

Positive Gedankenanstöße (aus meiner Sicht)

Die Reformagenda sieht kaum ethnische Hürden vor. Wo es Sinn macht, schlägt sie vor Ämter zusammen zu legen, die zurzeit einzig aus dem Grund der zwei, bzw. drei Sprachgruppen getrennt sind.

Öfters wird der Vorschlag von der Anwendung wissenschaftlicher Analyse für gewisse Bereiche gemacht. Wenn es stimmt, dass dies aktuell nicht geschieht, ist dies eine berechtigte Forderung.

Die ausufernde Bürokratie wird überall angeprangert und das ist auch gut so. Dabei wird empfohlen ein sogenanntes „Standardkostenmodells“ einzuführen. Voller Hoffnung habe ich das schnell gegoogelt, hatte ja keine Ahnung was das ist. Aber leider war dann nur die Rede von, Zitat Wiki: „Das Standardkostenmodell ist eine pragmatische Schätzmethode, mit welcher ein geringer Ausschnitt der bestehenden bürokratischen Belastungen geschätzt wird“. Hm, zwar nicht gerade der große Wurf wie ich erhofft habe, aber zumindest vielleicht irgendeine Bemessungsgrundlage auf der dann weitere Maßnahmen getroffen werden könnten. Wie konkret Bürokratie abgebaut werden könnte, steht in der Agenda nicht.

Prinzipiell lässt sie kein Stein auf dem anderen und es ist sicherlich an der Zeit diese Durchforstung des Landeshaushaltes stattfinden zu lassen. Wie ich auch selbst in einem meiner Videos auf meiner Webseite fordere: der Landeshaushalt ist buchhalterisch auf Null zu stellen.



Meine Zweifel

Beim Gesundheitswesen wird viel Sparpotential geortet. Aber was ist mit der vielgepriesenen Reform von Landesrat Theiner? Ist das die, die in dem Papier vorgeschlagen wird oder sind das neue, andere Reformen? Ich hätte ich mir gewünscht, dass der SWR mich als Bürger über die aktuelle Reform aufklärt und dann gerne aus seiner Sicht beschreibt was noch falsch läuft oder nicht läuft. Oder wollen wir die Reform der Reform?

Interessant ist, dass die diversen Förderungen für die Wirtschaft nicht in Frage gestellt werden. Es wird zwar von besseren „Schwerpunkten je nach Sektor“ gesprochen, aber von einer Reduzierung wird in dem Papier nicht gesprochen. Wenn ich mich Recht erinnere, hörte ich in den letzten Jahren oft den Satz: „Förderungen können und sollen reduziert werden, wenn auf der anderen Seite steuerliche oder bürokratische Entlastungen wegfallen.“ Diese zweiteilige Forderung habe ich in der Agenda nirgends gefunden.

Gleichzeitig ist es aber augenscheinlich, dass die Arbeitslosigkeit mit der Umsetzung dieser Agenda steigen wird. Denn vielerorts soll am Personal gespart werden. Ich möchte das jetzt nicht als Totschlagargument kennzeichnen, aber es wurde komplett versäumt auf diese Gefahr einzugehen. Den Machern der Agenda muss ich schon vorwerfen, dass es fast schon eine Schande ist, dass sie so etwas Entscheidendes, in seinen Auswirkungen Gravierendes, gar nicht ansprechen. Herr Pan (Präsident des Unternehmerverbandes) meinte in der Diskussion, dass „wir den Mut haben müssen diese Durststrecke zu überwinden. Anschließend würde es uns aber allen besser gehen.“ Ok, kann sein, ist seine Meinung und die lasse ich ihm schon. Aber ich erwarte mir schon, dass erklärt wird, WIE diese Durststrecke für die Schwachen in der Gesellschaft überwunden werden kann? WIE die sich abzeichnenden zunehmenden Arbeitslosen, speziell die Jugendarbeitslosen unterstützt werden können?

Das sich die Agenda fast ausschließlich mit der Umschichtung des Landeshaushalts beschäftigt war für mich etwas enttäuschend. Ich hätte mir mehr Impulse und innovative Ansätze erwartet wo auch konkret stehen würde, was das bringt. Ich maße mir selbst nicht an, viele solche Ansätze zu kennen, aber von den Experten der Wirtschaft hätte ich mir das schon erwartet. Aber vielleicht wollte man auch allgemeiner bleiben um die Diskussion nicht gleich in Details versinken zu lassen.

Wie soll es weiter gehen? Das wurde sehr allgemein gehalten. Nach diesen Diskussionsabenden sollen die Anregungen eingearbeitet werden und die Reformagenda angepasst werden. Bekommen auch die Sozialpartner die aktive Möglichkeit die Reform mitzuschreiben oder bleibt es dem SWR überlassen was in dem definitiven Papier stehen wird?

Fragen über Fragen die noch geklärt werden müssen. Ich für meinen Teil bin auch weiterhin bereit mit zu diskutieren, wenn es ernst gemeint ist und nicht nur eine Sicht der Dinge am Ende im Papier steht.

Klaus Egger

Anbei erlaube ich mir noch die Agenda als pdf-Dokument über diesen Link beizufügen. Leider habe ich sie nirgends im Internet als Download gefunden, nicht bei der Handelskammer, nicht beim SWR. Wirft für mich ehrlich gesagt auch einen letzten Schatten auf die Aussage: „Wir wollen mit allen reden.“ Wie soll ich über etwas nachdenken, wenn ich es nicht zu Gesicht bekomme? Nachdem die Veranstaltung aber öffentlich war und ich diese Unterlagen in die Hand gedrückt bekommen habe, habe ich mir erlaubt sie einzuscannen und hier zur Verfügung zu stellen. Dass die Diskussion weiter gehen möge.

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